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Das erste Mal

Die Premiere parlamentarischer Kontrolle

Täuschen, tarnen, und verzögern und am Ende kaum Konsequenzen: Der erste U-Ausschuss der Republik. Jahrelang bedienen sich die Statthalter österreichischer Banken aus den US-Hilfsgeldern des Marshallplanes. Erst der massive Druck der Amerikaner zur Aufklärung des Skandals veranlasst Österreich zu einer Premiere in der Zweiten Republik: Parlamentarischer Kontrolle.

Dieses Schreiben muss man erst einmal verdauen.” Bundeskanzler Leopold Figl ist geschockt. Es ist April 1949, Österreichs Wirtschaft steckt in der Krise und nun setzen auch noch die Amerikaner das Messer an. Seit Wochen geistern Gerüchte durch die Medien, Österreich hätte seine Staatsfinanzen nicht im Griff, und die USA legen nach. “Dieser Brief besagt, ihr habt ein Defizit von 2 Milliarden, wenn ihr die nicht deckt, gibt es keine weiteren Überweisungen,” fasst Vizekanzler Schärf den drastischen blauen Brief aus Washington beim Ministerrat zusammen. Ausgerechnet jetzt kabelt der österreichische Gesandte in Washington noch weitere beunruhigende Nachrichten in die Heimat.

Funktionsweise des Marshallplanes
Funktionsweise des Marshallplanes, aus einer Propagandabroschüre der US-Besatzer 1948

Am 8. April ruft die Verwaltung der Marshallplangelder ECA den Gesandten aus Österreich zum Rapport. Man habe Beweise, dass Vertreter der “Creditanstalt und Länderbank, ihre DoppelsteIlung als Financial Agents und private Export- und Importagenten zum Schaden der amerikanischen Geschäftswelt und der österreichischen Interessen mißbraucht hätten.” Die Vertreter der beiden verstaatlichten Banken sollen also Geld veruntreut haben. Den USA reißt der Geduldsfaden mit Österreich, man verlangt Aufklärung.

Nun muss die Regierung handeln. Schnell. Ein Jahr fließt bereits Geld aus dem Marshallplan, das am Boden liegende Österreich ist darauf unbedingt angewiesen.

Kanzler Figl höchstpersönlich macht sich auf den Weg zum obersten Vertreter der Amerikaner in Wien, Walter J. Donelly. Der SPIEGEL beschreibt die dramatische Sitzung: “Dem Bundeskanzler Figl wurde jede der Treppenstufen zur Qual, denn jede Stufe war Millionen Dollar wert. Als Figl im Arbeitszimmer Donellys das offizielle Versprechen abgab, bekanntgewordene Veruntreuungen amerikanischer Marshallplangelder sofort streng zu untersuchen, verfügte der Hohe Kommissar die sofortige Freigabe von elf Millionen Dollar und 1,5 Mrd. Schilling aus ERP-Gegenwertmitteln.

Doch der Fall ist verzwickt und reicht bis in höchste Kreise des politischen Establishments. Die verstaatlichten Banken Creditanstalt und Länderbank hatten die lukrative Vermittlung von Marshallplangeldern an sich gerissen, gemeinsam mit der Bundeswirtschaftskammer. Jahrelang dürften drei Männer in New York auf Kosten des Marshallplans gut gelebt haben. Kurt Ulrich, Sanford Bruns und Frederick Lawrence Sunley hatten sich ein lukratives Netzwerk aus Vermittlung, Anbahnung und üppigen Provisionszahlungen rund um den Import amerikanischer Waren nach Österreich aufgebaut.

Schon zwei Jahre zuvor versuchen die österreichischen Beamten in den USA den Vertreter der Handelskammer, Sanford Bruns, aus seiner – für das ganze Land gefährlichen – Doppelrolle zu entfernen. Er ist gleichzeitig Vertreter der österreichischen Wirtschaftskammer, aber von amerikanischen Provisionen abhängig. Ohne Erfolg. Dem österreichischen Vertreter in Washington sagt Bruns ins Gesicht: “Schauen Sie, meine Brieftasche ist voll mit Meinl-Schecks. Glauben Sie, daß ich damit nicht eine Verlängerung des Vertrages bekomme?” Wenig später kehrt Bruns ohne Schecks, aber mit Vertragsverlängerung in die USA zurück.

Über den Sommer 1949 passiert wenig in Österreich, die Regierung kann sich nicht recht auf ein Vorgehen einigen. Im Oktober überprüft die Marshallplanverwaltung in Washington dann selbst die Geschäfte mit Österreich und fällt ein Urteil. 926.858 Dollar muss Österreich zurückzahlen, nach heutigem Wert entspricht das etwa 7 Millionen Euro. Es wird die größte Rückzahlung bleiben, zu der ein Land im Rahmen des Marshallplanes verdonnert wird. Mehrfach macht das US-Außenministerium Druck, doch noch immer bewegt sich Österreich nicht. Bis zum 9. November, da bekommt erstmals die Presse Wind von den Machenschaften der drei rot-weiß-roten Vertreter.

New York Times, 16. Nov. 1959Ausgerechnet am Tag der Angelobung der neuen Regierung berichtet die New York Times von einer “scharfen Warnung” der Marshallplanverwaltung. Wenn nicht bald echte Untersuchungen folgen, droht Österreich der Verlust von zwei Millionen Dollar.

Nun, nach Monaten, erreicht der Skandal Österreich. Die heimische Presse überschlägt sich. Die Arbeiterzeitung, Parteiorgan der damals zweitgrößten Partei SPÖ, schreibt wütend: “In einer Erklärung der österreichischen Gesandtschaft in Washington, wird nun zugegeben, daß ‘gewisse Klarstellungen, besonders über die Organisation des österreichischen Einkaufssystem notwendig sein dürften’, was aus der diplomatischen in die gewöhnliche Sprache übertragen, heißt, daß Schweinereien vorgekommen sind.” und weiter: “Mit Vertuschungen wird man diesmal nicht auskommen!

Jetzt geht es Schlag auf Schlag, der Ministerrat am 22. November 1949 beschäftigt sich mit der Causa Prima. Außenminister Gruber verliest eine Mitteilung der Amerikaner, danach wird diskutiert wie immer mehr Informationen an die Presse gelangen konnten. Außenminister Gruber (ÖVP): “Ich vermute, daß die Verlautbarungen von den Banken her ausgegangen sind. Merkwürdigerweise dringt bei Verhandlungen über den Staatsvertrag nichts heraus.” Noch drängen einige auf ein Ministerkomittee, dass untersuchen soll, doch es kommen Zweifel an dessen Wirksamkeit auf. Vizekanzler Schärf (SPÖ): “Das Wesentliche bei der Untersuchung scheint mir, daß dieser Untersuchungsausschuß berechtigt ist, die Leute unter Eid zu vernehmen. Der parlamentarische Untersuchungsauschuß hat die Rechte eines gerichtlichen Untersuchungsausschusses, also unter Anwendung des Eides.

Ein entsprechender Ministerratsvortrag liegt schon bereit, und so beschließt die Regierung, die Untersuchung ihrer eigenen Tätigkeit dem Parlament zu “empfehlen”.

Schon am nächsten Tag beschließt der Nationalrat die Einsetzung des U-Ausschusses, der nur mit Mitgliedern von ÖVP und SPÖ besetzt wird. Antragssteller Raab bedient sich eines Geschäftsordnungstricks. Der U-Ausschuss wird nur sechs Mitglieder haben, damit Abgeordnete der Opposition nicht in den Ausschuss dürfen.

Schon eine Woche später tagt er zum ersten Mal tagt. Zusehen darf die Öffentlichkeit nicht, nur die Abgeordnetenkollegen. ”Endlich wurde beschlossen, Mitteilungen an die Presse und die sonstige Öffentlichkeit nicht durch Äußerungen einzelner Ausschußmitglieder, sondern nur durch gemeinsame Verlautbarungen zu machen.”, heißt es später im Abschlussbericht.

NOeUnvereinbar
Das “Neue Österreich”, eine der ersten Tageszeitungen der Zweiten Republik.

Dementsprechend spärlich ist die öffentliche Information über den Ausschuss. Einige Zeitungen bringen von den Vernehmungen der drei Hauptbeschuldigten noch einen Abdruck des Kommuniqués, dann schläft der U-Ausschuss in der öffentlichen Wahrnehmung so schnell ein, wie er gekommen war.

Auch die Arbeit im Ausschuss gestaltet sich zäh. “Die Technik der zweifelhaften Geschäfte konnte nur in mühsamer Arbeit erforscht werden, denn die meisten Beteiligten litten, vor den Untersuchungsausschuß zitiert, plötzlich an Gedächtnisschwäche,” berichtet der SPIEGEL.

Ich muß Ihnen gestehen, daß ich leider schon die längste Zeit etwas zerfahren bin, weil ich seit ca. einem Jahr fast ununterbrochen in ärztlicher Behandlung stehe und seither schon die verschiedensten Medikamente und Kuren versucht habe, ohne einen Erfolg zu erzielen, was mich begreiflicherweise noch nervöser macht,” schreibt einer jener Talg-Händler, die Handelskammer-Agent Bruns aus unerfindlichen Gründen Geld überweisen haben, ohne die Leistung dafür konkretisieren zu können.
Kickbacks
Oder Kommerzialrat Diehl blieb etwa auch dann noch dabei, sich nicht an einen Scheck von Bruns  erinnern zu können, als ihm der U-Ausschuss-Vorsitzende diesen bereits vorlegt. Dass er sich um die 6920 Dollar und 53 Cent einen Buick aus Amerika habe kommen lassen, streitet er ebenfalls ab. Das Wort “Kickbacks” findet erstmals Eingang in das Protokoll eines U-Ausschusses.

68 Zeugen erscheinen vor dem Ausschuss, der letzte 1950. Eigentlich könnte der U-Ausschuss jetzt fertig sein, aber man will noch die durch den U-Ausschuss ausgelösten Strafverfahren abwarten. Eineinhalb Jahre lang tagt der Ausschuss fallweise, ehe man 1952 nach 125 Sitzungsstunden einen Schlussstrich zieht.

Die meisten Beschuldigten kommen ohne eine Verurteilung davon, da sie entweder Amerikaner sind oder die Gesetze in Österreich viel zu lasch. Die drei Vertreter Österreichs in New York verlieren ihre Jobs bei den Banken und der Wirtschaftskammer. Mehr als zwei Jahre nach seiner ersten Sitzung, beschließt der Ausschuss seine Auflösung. Bis zur nächsten Sitzung eines U-Ausschusses wird es 14 Jahren dauern.

Noch bis heute existiert der Fonds aus den Marshallplan-Geldern. Die staatliche aws unterstützt damit vor allem Unternehmen mit günstigen Krediten.

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