Erklärungs-Versuch

Mysteriöse Erklärungen im Prozess gegen Sebastian Kurz

Sebastian Kurz und sein Anwalt Otto Dietrich legten vor Gericht zahlreiche belastende Dokumente vor, darunter auch zwei eidesstattliche Erklärungen, die das Gericht nicht zugelassen hat. Wenig später wurden sie Medien “zugespielt”. Was steckt dahinter?

Egal von welcher Seite man es betrachtet, die Geschichte ist ziemlich wild. Der Anwalt des früheren Bundeskanzler zieht vor Gericht zwei eidesstattliche Erklärungen aus dem Hut, die den Belastungszeugen der Staatsanwaltschaft Thomas Schmid schwer belasten. Abgegeben haben sie zwei russische Manager, die in Österreich völlig unbekannt sind. Das Gericht lässt die Dokumente im Verfahren nicht zu, es geht um den Grundsatz der Unmittelbarkeit. Salopp ausgedrückt: Die betroffenen Personen müssten selbst vor Gericht aussagen, eine eidesstattliche Erklärung reicht nicht.

Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Am nächsten Tag bringt die Kronen Zeitung die “Affidavits” groß. Das Blatt sagt, ihm seien die Dokumente “zugespielt” worden. Tatsächlich gibt sie ein Pressemitarbeiter von Sebastian Kurz auf Anfrage gerne weiter. Der Inhalt ist jedenfalls brisant. Man habe Schmid einen Job für ein “Ölindustrieprojekt in Georgien” angeboten. Beim Vorstellungsgespräch habe Schmid dann über das Verfahren zu Hause gesprochen. “Er sagte, dass er den Staatsanwalt mit seiner Aussage nur glücklich machen wollte, um einen Deal mit ihm zu machen, obwohl nicht alles, was er vor dem Staatsanwalt ausgesagt hat, seiner Erinnerung nach wahr war,” lautet einer der wohl brisantesten Sätze aus dem “Affidavit”.

Stimmen die Aussagen in der Erklärung und warum geben zwei Russen in einem Verfahren, mit dem sie nichts zu tun haben, so eine Erklärung ab? Fragen, deren Antwort nicht ganz so einfach ist. 

Das Vorstellungsgespräch

Ein Investment-Banker aus London soll den Kontakt zwischen den drei Personen hergestellt haben. Thomas Schmid, mittlerweile nach Amsterdam ausgewandert, solle doch zwei Russen treffen, die einen CEO  für ein Projekt in Georgien suchen. Das Gespräch soll – auch da decken sich die Erzählungen – während eines Spaziergangs in Amsterdam stattgefunden haben, aber schon wer teilgenommen hat, ist alles andere als eindeutig. Die “Affidavits” haben zwei Russen abgegeben, Aleko A. und Valeriy Afinogenov. Doch auf Anfrage sagt Schmids Anwalt Roland Kier: “Nachdem uns die Namen der auf diesen Zetteln angeführten Personen unbekannt sind, kann mein Mandant nicht bestätigen, ob er sich mit diesen Personen getroffen hat.” A. ist Marketingleiter einer Firma, die künstliche Diamanten herstellt. Afinogenov ist Geschäftsführer und Teilhaber der Firma NPK Almaz, die ebenfalls künstliche Edelsteine produziert. Nach vielen Stunden Recherche meldet sich Valeriy Afinogenov via Telegram. “Wir können bestätigen, dass zwei Mitarbeiter unserer Firma Herrn Schmid getroffen haben und freiwillig eidesstattliche Erklärungen abgegeben und übermittelt haben.” Auf Nachfrage bestätigt er, dass er einer der beiden war. Schmids Anwalt Kier sagt auch: “Er  (Thomas Schmid, Anm.) hat sich in Amsterdam zu einem Bewerbungsgespräch mit Personen eingefunden, wobei aber festzuhalten ist, dass die nunmehrigen Behauptungen dort schlichtweg nicht gefallen sind.

Die Erklärungen

Hier enden die Unklarheiten aber nicht. Vor Gericht sagte Kurz Verteidiger Dietrich, die eidesstattlichen Erklärungen seien an der österreichischen Botschaft in Tiflis abgegeben worden. Das Außenministerium teilt hingegen auf Nachfrage mit: “An österreichischen Vertretungen werden auf keinen Fall eidesstattliche Erklärungen erstellt oder inhaltlich bearbeitet.” Botschaften beglaubigen Unterschriften auf privaten Dokumenten unabhängig vom Inhalt. “Damit bestätigen sie lediglich die Unterschrift und bezeugen die Identität der unterschreibenden Person,” lässt das Außenministerium wissen. 

 Ein Sprecher von Sebastian Kurz dazu: “Unser Anwalt wurde über den Sachverhalt informiert. Daraufhin hat sich RA Dr. Dietrich mit einem der beiden Herren getroffen, bei dem dieser diese Aussagen getätigt und sogar angeboten hat, diese mit Affidavits zu bestätigen. Die vorliegenden Affidavits wurden in der Botschaft in Tiflis beglaubigt. Das bedeutet, dort wurde die Identität des Unterzeichners bestätigt. Dieser Vorgang ist mit der Beglaubigung durch einen Notar gleichzusetzen. Die Konsulate nehmen dabei aber – gleich wie ein Notar – keinerlei inhaltliche Prüfung vor.”

Valeriy Afinogenov will keine Fragen zum Zustandekommen beantworten, aber er antwortet auf einen Vorwurf. Schmids Anwalt Roland Kier sagt nämlich auch: “Interessant wäre es wohl zu recherchieren, um was für Personen es sich bei diesen nunmehr angeführten handeln soll und für welche Entlohnung nunmehr derartige Falschbehauptungen aufgestellt werden.” Er stellt also in den Raum, dass Geld geflossen sein könnte. Afinogenov bestreitet das auf Anfrage und sagt: “Ich habe kein Geld oder andere Benefits dafür erhalten.” Nachfragen beantwortet er nicht. Auch das Team von Sebastian Kurz sagt: “Es wurden keinerlei Zahlungen oder andere Vorteile getätigt, zugesagt oder in Aussicht gestellt.” 

Die Personen

Wie kommen zwei Diamantenmanager aus St. Petersburg an die Botschaft nach Tiflis und warum suchen gerade diese beiden einen Manager für ein Öl-Projekt, wo doch ihre Firmen kein Öl fördern? Ab hier kann man nur noch mutmaßen, Antworten gibt es keine. Ein Geschäftspartner der beiden Russen ist Teimuraz Khikhinashvili. Der Georgier hat sehr viel Geld mit Einkaufszentren in Russland gemacht und ist auch im Öl-Geschäft. Mittlerweile besitzt er die russische und die israelische Staatsbürgerschaft. Khikhinashvili ist weiters Chairman des Israeli-Russian Business Council nennt sich dort aber Temur Ben Yehuda. Als solcher hat er israelische Minister nach Russland gebracht.  Gibt es Verbindungen zu Sebastian Kurz, der ja selbst in Israel geschäftlich tätig ist? Kurz verneint über einen Sprecher, Teimuraz Khikhinashvili kenne man nicht. Fortsetzung folgt – ziemlich sicher beim nächsten Verhandlungstag im Landesgericht.

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Comments 3
  1. DAS klingt ja witklich wie Räuber-und-Gendarm-Geschichte. Und sie wird vielleicht sogar noch besser. Bin schon gespannt.

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