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Concordia-Preis Rede

Meine Rede bei der Auszeichnung
Am Rednerpult: Preisträger der Kategorie Menschenrechte Martin Thür

Im April 2022 wurde ich mit dem Concordia-Preis in der Kategorie “Menschenrechte” ausgezeichnet. Ein YouTube-Video davon ist hier zu sehen. Das ist meine Rede von damals.

74.141 Euro und 49 Cent. Diese Summe hat Sophie Karmasin an Bezugsfortzahlung vom Bundeskanzleramt erhalten und vergangene Woche komplett zurückgezahlt. 74.141 Euro und 49 Cent, die das Kanzleramt und der Nationalrat lieber geheim gehalten hätten. 

Ob sich jemand an die Regeln zur Bezugsfortzahlung hält, kontrollieren diese beiden Behörden nicht. Die Anspruchsvoraussetzungen – wie es so schön heißt – werden nur zu Beginn überprüft, aber anders als bei Arbeitslosen, wo jeder Cent kontrolliert und zu viel sofort zurückgefordert wird, werden Ex-Politikerinnen und Politiker nicht mit Kontrollen behelligt.

Es ist wie vieles in Österreich: Eigentlich gibt es Regeln, sehr strenge sogar, aber mal ehrlich: Wir werden keinen Richter brauchen. Die Politik schützt ihre schlampigen Verhältnisse. 

Also blieb geheim, was, wenn es öffentlich werden würde, eine Straftat aufdecken könnte. Die Bezugsfortzahlung blieb jahrzehntelang eine Black-Box. Es ist wie der Baum, bei dem niemand weiß, ob er ein Geräusch macht, wenn er auf den Boden kracht, da niemand da ist, der es hören könnte. Journalismus sieht und hört hin, wir machen das Krachen hörbar. Und zur Not müssen wir halt klagen. 

In den vergangenen Jahren sind die alten, ohnehin schon schlampigen Verhältnisse in diesem Land noch schlampiger geworden, nicht nur zwischen der Politik und den Medien. “Die Macht der Parteien ist zu groß, um noch demokratiepolitisch erträglich zu sein,” schreibt der nicht gerade als Umstürzler bekannte Concordia-Präsident Andreas Koller am Wochenende in den Salzburger Nachrichten und ich würde behaupten, daran trägt auch ein Journalismus Verantwortung, der bestenfalls achselzuckend zugesehen und im schlimmsten Fall sich selbst an die Politik verkauft hat. 

Wenn die Parteien seit Jahren daran scheitern, sich selbst zu reinigen und effektive Regeln für eine saubere Demokratie zu etablieren, darf das Journalismus nicht einfach als “rot-weiß-rotes” Lokalkolorit akzeptieren. “There is a crack in everything, that’s how the light gets in” singt der großartige Leonard Cohen und wie immer, hat er Recht. Dass Journalistinnen und Journalisten, dass Medien in Österreich für öffentliche Informationen vor Gericht gehen, war noch vor einigen Jahren undenkbar. Wenn aber mittlerweile eine Hundertschaft an PR-Mitarbeitern in Landes- und Bundesregierungen mit Steuergeld verhindert, dass die Öffentlichkeit erfährt, was in unserem Auftrag mit unserem Geld passiert, müssen auch wir unsere Methoden erweitern.Wie gesagt:

 Es gibt die Regeln, wir müssen sie nur endlich anwenden. 

Dass wir das in einem Fall öffentlich machen konnten, einen Spalt gefunden haben, durch den das Licht kommen konnte, das war die harte Arbeit von Menschen, denen Spielregeln wichtig sind, gerade weil es eben kein Spiel ist. 

Ich spreche eigentlich sehr ungern an diesem Ort. Das Rednerpult, hier im Nationalrat gehört der Politik, nicht dem Journalismus. Unser Platz ist da oben, in der Galerie, wo wir Politik beobachten, kontrollieren und sie an ihre Versprechen erinnern. Genauso wie wir unseren Ort kennen sollten und nicht Journalismus mit Politik verwechseln, müssen wir gerade in diesen Tagen Politik an ihren Platz erinnern. Wenn – übrigens mit aufgedeckt vom ORF – sich die Politik in Sidelettern ausschnapst, wer im ORF Karriere machen darf und wer nicht, dann werden wieder einmal Regelungen umgangen.

Wenn sich Regierungen allen Ernstes Gedanken machen, wer was wird im ORF, dann ist das nicht ihr gesetzlicher Auftrag, sondern einfach eine Zumutung. 

Dabei glaube ich nicht einmal, dass es den Regierungsverhandlern wirklich wichtig war, wer etwa Sendungsverantwortlicher der Daytime Formate im ORF wird. Da geht es da längst nicht mehr – unter Anführungszeichen – nur um Einfluss auf die Berichterstattung. Da geht es darum zu zeigen, wer die Macht hat, wer bestimmt. Und darum zu beweisen, dass Regeln längst nicht für alle gelten. 

Und nur damit man mich hier nicht falsch versteht: Alle Regierungsparteien der letzten Jahrzehnte haben dieses schlampige System ausgenutzt und die bestehenden Normen umgangen. Eine behauptet, dazu gezwungen worden zu sein. Warum es das besser machen würde, verstehe ich allerdings nicht. 

Ich bin jetzt seit drei Jahren in diesem Unternehmen und noch immer blicke ich mit einer Mischung aus Verzweiflung und Verwunderung auf die Art und Weise, wie Führungspositionen im ORF vergeben werden. 

“Österreich ist ein Labyrinth, in dem sich jeder auskennt” hat Helmut Qualtinger mal gesagt und kaum wo hat das je so gut gepasst wie auf den ORF. Erstaunlicherweise wissen alle immer schon, wer einen Job bekommt, noch bevor er ausgeschrieben wird. Ausschreibungen dienen nicht einem Wettstreit der Ideen, an dessen Ende die oder der Beste gewinnt, sondern sie wirken nicht selten wie ein rechtliches Erfordernis für eine längst getroffene Entscheidung. 

Der ORF steht wieder vor so einer wichtigen Weichenstellung. Der Generaldirektor hat angekündigt, “relativ rasch” die neuen Ressortschefinnen und -chefs der neuen, zusammengelegten Information aus Radio, Fernsehen und Online ausschreiben zu wollen. Der gelernte Österreicher, der Zyniker, könnte jetzt denken: Wer es wird, steht also schon fest, doch ich will den Glauben noch nicht aufgeben, dass Regeln und Gesetze in diesem Land noch etwas wert sind. 

Jeweils eine einzige Person wird künftig in der Innen- und in der Außenpolitik, in der Wirtschaft und in der Chronik sowie am neuen Newsdesk die Berichterstattung des Hauses wesentlich bestimmen. Über alle Mediengattungen des ORF hinweg. Information für Millionen von Menschen. Das sind wirkliche wichtige Jobs. Und sie sollten an die Besten gehen. Und wenn es für manche schwer ist, objektive Kriterien zu finden, lassen Sie mich mit einem Maßstab helfen, der neben Kompetenz, Erfahrung und Verantwortungsgefühl meiner Meinung nach entscheidend ist:

Führungsfunktionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollten nicht an jene gehen, die einer Partei besonders nahe sind, sondern an jene die allen Parteien möglichst distanziert gegenüberstehen. Nicht Nähe, sondern kritische Distanz zeichnet gute Journalistinnen und Journalisten aus. 

Das ist nicht einmal eine besonders originelle Forderung. Das ORF-Gesetz verlangt das von uns, zu Recht, wie ich meine. Wieder so eine Regel. Die Journalistinnen und Journalisten des Hauses halten sich tagtäglich daran. Es wird Zeit, dass es die Politik auch tut. 

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