Van der Bellens Job

Alexander van der Bellen ist der grüne Vorzugsstimmenkaiser. Keiner, nicht mal die amtierende Bundessprecherin kommt bei der eigenen Basis so gut an. 2010 kandidiert der grüne Superstar für den Gemeinderat, und bewahrt mit seinen Vorzugsstimmen die Grünen vor einer herben Niederlage an den Wahlurnen. Ein Stadtratsposten für van der Bellen war in der rot-grünen Koalition nicht drin deshalb wurde für ihn ein Posten erfunden. Alexander van der Bellen verdingt sich nun als Hochschulbeauftragter der Stadt Wien.

Seither hat man in der Öffentlichkeit wenig gehört, vom neuen Hochschulbeauftragten. Bis sich auf twitter folgender Dialog ergab.

Weil das keine schlechte Idee ist, und weil ich immer schon wissen wollte was van der Bellen eigentlich macht, habe ich ihm per e-mail ein paar Fragen gestellt.

Wie würden sie ihre Tätigkeit als Hochschulbeauftragter beschreiben? Oder: Was machen sie eigentlich den ganzen Tag?

Es war höchste Zeit für die Stadt Wien, sich mehr (manche würden sagen: noch mehr) für die hier ansässigen Universitäten und die hier erbrachte Forschungsleistung einzusetzen. Dank Rot-grün ist es nun gelungen, diesem notwendigen Vorhaben einen Stellenwert einzuräumen, der seiner Wichtigkeit entspricht. Nicht jede Stadt leistet sich einen Stadtbeauftragten für Universitäten und Forschung. Aber es profitiert ja auch nicht jede Stadt in so großem Ausmaß von ihren Universitäten und Forschungsinstitutionen wie Wien. Wir dürfen den Anschluss an die Weltspitze nicht verlieren.

Dieses Interesse haben die Universitäten und vielen Forschungsinstitutionen, die in Wien ansässig sind und die einen unschätzbaren Mehrwert für diese Stadt darstellen, auch dankend zur Kenntnis genommen. Entsprechend zahlreich haben sie sich in den ersten Monaten (der Gemeinderatsbeschluss meine Position betreffend fiel ja erst im März) bei mir gemeldet.

Es freut mich, schon jetzt konkrete Ergebnisse vorweisen zu können. Etwa die Rettung des international anerkannten und gut vernetzten IWM (Institut für die Wissenschaft vom Menschen), für das ich mich sehr eingesetzt habe. Es war als Folge der kurzsichtigen und ökonomisch völlig unsinnigen Einsparungen des Bundes bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen lange Zeit von der Schließung bedroht. Oder die Vermittlung zwischen Stadt und Universitäten im Bereich der Mobilität von Studierenden aus Drittstaaten. Da war nämlich Feuer am Dach.

Das renommierte Wellesley College, Alma Mater von Hillary Clinton, hat das Austauschabkommen mit der Universität Wien bereits gekündigt. Der Grund waren die Schwierigkeiten mit Visum und Aufenthalt, welche die amerikanischen Studierenden dieser Eliteuni in Österreich hatten. Schuld ist natürlich das Fremdenrecht. Wien ist aber direkt betroffen, weil es mit der Vollziehung des Fremdenrechts betraut ist. Außerdem leidet die Reputation der Stadt. Ich habe dazu auch einen Gastkommentar in der Wiener Zeitung geschrieben.

In einer Reihe von Treffen mit Betroffenen von den Universitäten, der Stadt und anderen involvierten Institutionen wie dem Wissenschaftsministerium oder dem Österreichischen Austauschdienst (ÖAD) haben wir konkrete Lösungen erarbeitet. Dadurch konnten wir zwar das Fremdenrecht immer noch nicht ändern. Aber im Bereich seiner Abwicklung durch die Behörden der Stadt gibt es nun eine deutliche Verbesserung. Ich habe davon öffentlich u.a. in einer Podiumsdiskussion in der Urania berichtet.

Ein anderer Fall betrifft einen diplomierten Maschinenbauer aus Georgien, der als anerkannter Flüchtling in Österreich lebt. Er ist Inhaber mehrerer Patente, verdingt sich aber als Schichtarbeiter, weil er hier keine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung findet. Diese Verschwendung an Talent und geistigem Potential können wir uns nicht länger leisten, wollen wir international mithalten.

Im Sinne der Ergebnissicherung werde ich gegen Jahresende einen Bericht zur Lage der Universitäten und der Forschung in Wien verfassen. Der Bericht wird nicht nur auf Gegenliebe stoßen, so viel steht fest. Aber ich sehe es durchaus als Teil meiner Aufgabe, unangenehme Wahrheiten auszusprechen.

Wie viel Zeit verwenden sie für diese Tätigkeit, wie oft sind sie auf Universitäten oder Bildungseinrichtungen?

Mein Arbeitspensum ist stark angestiegen und befindet sich mittlerweile fast wieder dort, wo es in meiner Zeit als Bundessprecher war. Aber als Überzeugungstäter kann ich angesichts der vielen Herausforderungen, die sich dem Wissenschaftsstandort Wien stellen, nicht kürzer treten. Ich bin deshalb täglich in meiner neuen Funktion unterwegs. Sei es auf einer der Wiener Universitäten oder bei einer der relevanten Stellen der Stadt Wien – das sind mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Das beinhaltet auch repräsentative Aufgaben wie die Eröffnung des neuen Röntgenzentrums der TU oder die Teilnahme an Veranstaltungen der Wissenschaftscommunity.

Seit einigen Monaten habe ich ein Büro in der Schlickgasse, wo sich auch der Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds befindet. Zu vielen Terminen lade ich dorthin, sodass dort mittlerweile viel Leben eingekehrt ist.

Glücklicherweise ergänzt sich meine Rolle als Stadtbeauftragter in einigen Punkten mit der im Nationalrat. Nicht zuletzt, weil viele der Probleme, die der Bund im Bereich der Universitäten und Forschung verursacht, Wien besonders betreffen. Schließlich ist Wien der mit Abstand größte Wissenschaftsstandort Österreichs. In Wien werden 60% der Forschungsleistung ganz Österreichs erbracht.

Hatten sie bereits einen Termin bei Minister Töchterle? Gab es Ergebnisse?

Ich kenne Karl-Heinz Töchterle ja schon länger. Wir haben seit seiner Nominierung im Wissenschaftsausschuss miteinander gesprochen. Für einen eigenen Termin hat es bisher nicht gereicht. Er ist ja jetzt vielbeschäftigt.

Töchterle ist zwar der zuständige Bundesminister, ich konzentriere mich aber vor allem auf das, was Wien im Bereich der Universitäten und Forschungseinrichtungen tun kann. Da gibt es einige wichtige Schnittstellen, die die Stadt direkt mit den Universitäten verbinden wie z.B. Fragen der baulichen Infrastruktur, die wiederum für die Stadtplanung von Bedeutung sind und bisher zu wenig Aufmerksamkeit erfahren haben. Da ist viel zu tun.

Dennoch habe ich mit Karl-Heinz Töchterle in nächster Zeit noch ernste Worte zu sprechen. Denn so, wie sich die Arbeitssituation für junge ForscherInnen und Forscher an unseren Universitäten derzeit gestaltet, kann es nicht weiter gehen: Kurz- bzw. Kürzestverträge, schlechte Bezahlung und mangelnde Infrastruktur. Es ist seine Aufgabe als Wissenschaftsminister dafür zu sorgen, den Universitäten die adäquate Finanzierung zu sichern. Auch wenn das bedeutet, dass er bei der Finanzministerin mit einiger Vehemenz auftritt, wie es ihm die Rektoren zum Teil ja schon vormachen. Denn die Leistungsvereinbarung des Bundes mit den Universitäten kann ja nicht so aussehen, dass der Bund Leistungen vorschreibt aber den Universitäten die Mittel zur Erfüllung dieser Leistungen verwehrt.

Wie viele Termine gab es bereits mit dem Bürgermeister oder dem Stadtrat für Wissenschaft Andreas Mailath-Pokorny? Gab es hier konkrete Ergebnisse?

Ich bin sowohl mit Bürgermeister Häupl als auch mit Stadtrat Mailath-Pokorny immer wieder in Kontakt. Mit Mailath-Pokorny habe ich einen Jour Fixe, bei Bedarf treffen wir uns öfter. Außerdem gibt es auf Ebene unserer Büros ständigen Kontakt und Zusammenarbeit. Wir haben schnell einen Weg gefunden aus der potentiellen Konkurrenzsituation eine der wechselseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit zu machen.

So werden wir noch diesen Herbst die Rektoren und Rektorinnen der Wiener Universitäten, Privatunis und Fachhochschulen zu einem gemeinsamen Treffen zum Thema Internationalität einladen. Wir sind auch dabei, für die vielen Forscherinnen und Forscher aus aller Welt, die in Wien leben und arbeiten, zum Dank für ihren Beitrag zum Wiener Wissenschafts- und Forschungsstandort einen Empfang im Rathaus vorzubereiten. Eine symbolische Geste, klar, aber solche Symbole sind wichtig, wenn wir im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe konkurrenzfähig bleiben wollen.

Wir haben auch beschlossen, ab 2011 im jährlichen Wissenschaftsbericht der Stadt Wien klar und ausführlich die Ausgaben zu nennen, die Wien für Wissenschaft und Forschung tätigt. Die Ausgaben sollen transparent und den Wienerinnen und Wienern leicht zugänglich sein. Das war bisher nicht der Fall.

Ihre Tätigkeit umfasst den “Laufenden Dialog zwischen Wissenschaft und Stadt” Was machen sie da, wie kann man sich das vorstellen?

Nehmen wir das Thema Internationalität: Der FC Barcelona wäre, würde er nur Katalanen beschäftigen, wohl immer noch ein guter Verein. Aber Weltspitze wäre er nicht mehr. Ähnlich würde es der Staatsoper ergehen, dürften dort nur noch ÖsterreicherInnen spielen und singen. In der Forschung ist es nicht anders. Wer international mitspielen will, muss Barrieren für die Mobilität von ForscherInnen abbauen und internationalen Austausch und Vernetzung fördern so gut es geht.

Als Beauftragter der Stadt Wien für Universitäten und Forschung bemühe ich mich in Gesprächen mit VertreterInnen der Universitäten, aus dem Forschungs- und Wissenschaftsumfeld sowie den zuständigen Magistratsabteilungen, die Öffnung der Stadt und ihre internationalen Chancen voranzutreiben. Hier trete ich also als Vermittler auf. Ich bin froh, hier nach wenigen Monaten sicher gestellt zu haben, dass Wien alles in seiner Macht stehende tun wird, um Barrieren für die Wissenschaft abzubauen – selbst wenn es uns der Bund mit seinem Fremdenrecht denkbar schwer macht.

Ein anderes Thema ist die Vernetzung des Forschungsstandorts Wiens mit der Region. Ich habe kürzlich mit einer Delegation Brünn (Brno) besucht. Dort entsteht eine beachtliche Forschungsinfrastruktur im naturwissenschaftlichen Bereich. Eine Kooperation ist aufgrund der Nähe naheliegend – im wahrsten Sinnen des Wortes. Ich habe Wien mit dem Ziel repräsentiert, gemäß dem Rot-Grünen Regierungsübereinkommen neue Plattformen und Andockstellen für in Wien ansässige Wissenschaft zu identifizieren. Es ging mir darum, von Beginn an den Willen der Stadt und seiner Forschungslandschaft zur Kooperation mit diesem aufstrebenden Standort deutlich zu machen. Das ist auch gelungen. Das Interesse an enger Kooperation ist auf beiden Seiten groß. Im Herbst laden wir zu einem ersten Gegenbesuch und werden dazu möglicherweise auch KollegInnen aus Bratislava einladen.

Tragen sie in irgendeinem Bereich selbst Verantwortung, können sie Entscheidungen treffen, verfügen sie über ein Budget?

Ich bin ein Verfechter des rotgrünen Projekts der ersten Stunde. In meinem Bereich trage ich natürlich Verantwortung, treffe Entscheidungen daher eigenverantwortlich. Dafür steht mir auch ein Budget von 210.000.- Euro zur Verfügung, von dem ich ein kleines Büro, MitarbeiterInnen und Veranstaltungen wie Expertenrunden oder eben Podiumsdiskussionen finanziere. Ich selbst arbeite ehrenamtlich.

Nach den ersten Monaten meiner Arbeit als Stadtbeauftragter kann ich sagen, dass es Freude macht und mit einer gewissen Genugtuung verbunden ist, ganz konkrete Lösungen für ganz konkrete Probleme zu finden und umzusetzen.

PS: Zum Fahrradbeauftragten eigne ich mich überhaupt nicht. Ich bin nämlich nicht nur Raucher, sondern auch Autofahrer und leidenschaftlicher Fußgänger.

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Comments 3
  1. dafür hat er eine komplette peace einstellung – durch das ganze gespräch , es ist nicht immer wichtig prägnant zu wirken

  2. also das ist vermutlich das beste Interview mit einem Politiker, das ich in den letzten paar Monaten gelesen habe. Sachlich, konzentriert, ohne zu viel Eigenlob und auch konkrete Ereignisse für die Zukunft angekündigt.

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