Wir leben im Gemeindebau

Michael Spindelegger fordert, dass nur sozial Schwache im Gemeindebau wohnen sollen. Er selbst hat noch als Bundesrat und Europaabgeordneter, insgesamt elf Jahre lang, in einer Gemeindewohnung in Hinterbrühl gewohnt.

Idyllisch zwischen Mödlingbach und direkt hinter dem Gemeindeamt Hinterbrühl liegt die Römerwandparksiedlung. Dort, auf Stiege 6, mit Blick auf das Gemeindeamt, wohnt mehr als ein Jahrzehnt Michael Spindelegger. Der jetzige ÖVP-Chef gehört zu den ersten Mietern seines Blocks.

15. Oktober 1987. Erich Spindelegger, der Bürgermeister in Hinterbrühl, verlässt den Sitzungssaal im Gemeinderat, er sei befangen. Zur Abstimmung steht nämlich eine Entscheidung, die seinen Sohn betrifft. Der damals 27-jährige Michael Spindelegger bewirbt sich um eine Wohnung im neu errichteten Gemeindebau. Nach einer kurzen Diskussion stimmt der Gemeinderat über die Bewerber für die Wohnungen ab. Der Bürgermeistersohn hat aber nichts zu befürchten. 17 von 23 Gemeinderäten sind von der ÖVP, die Wohnungsvergabe wird im Gemeinderat sogar einstimmig angenommen. Michael Spindelegger kann wenig später in die 93m² große Wohnung einziehen. Der monatliche Hauptmietzins beträgt 3915,23 Schilling, das entspricht heute inflationsbereinigt 495,94 Euro.

Protokoll des Gemeinderates, 15. Oktober 1987
Das Protokoll der Gemeinderatssitzung, in der Michael Spindelegger die Gemeindewohnung erhält.

Etwa zeitgleich steigt der bisherige Landesbedienstete in die Politik ein. Seit einigen Monaten ist er Sekretär des damaligen Verteidigungsministers Robert Lichal in Wien. Doch das ist Spindelegger nicht genug, er macht Karriere. Im ÖAAB, dem ÖVP-Arbeitnehmerbund, arbeitet er sich nach oben. 1991 wird er Bundesobmann-Stellvertreter. Im Dezember dieses Jahres präsentiert er einen “Ideenkatalog” zum Thema Wohnen. Als Chef der “Plattform junger Arbeitnehmer” im ÖAAB fordert er, “Gemeindewohnungen nur noch sozial Bedürftigen” und auch nur “zeitlich befristet zu vermieten”. Zu diesem Zeitpunkt wohnt er selbst bereits mehr als drei Jahre im Gemeindebau.

1992 der nächste Karriereschritt. Er wird als mögliches Regierungsmitglied in der Landesregierung des neuen niederösterreichischen Landeshauptmannes Erwin Pröll gehandelt. Das schafft er nicht, aber im Oktober des selben Jahres wird er als Bundesrat angelobt.  Sein Verdienst: 29.691,- Schilling und ein monatlicher ‘Auslagenersatz’ in der Höhe von 19.025,- Schilling. Inflationsbereinigt entspricht das heute einem Monatsgehalt von 5.325,- Euro.

Schon ein Jahr später wird er Nationalratsabgeordneter und bekommt 81.505,- Schilling monatlich. Am 1. Jänner 1995 geht er als Teil der ersten österreichischen Abgeordneten ins EU-Parlament. Seinen Wohnsitz in der Gemeindewohnung in Hinterbrühl behält er. Sein Gehalt, das – inflationsbereinigt – heute 8.310,- Euro entspricht, bleibt gleich.

Kurz bevor er wieder in den Nationalrat wechselt, im Herbst 1996, schreibt Spindelegger dem damaligen Bürgermeister von Hinterbrühl Ferdinand Manndorff. Er fühle sich “in der Wohnung außerordentlich wohl”, seine “finanziellen Verhältnisse” seien aber andere geworden, weshalb er und seine Frau “zusätzlich zur Zahlung unseres Mietzinses monatlich einen Beitrag leisten möchten, der sozialen Zwecken in der Hinterbrühl gewidmet ist.” Wieviel er spendet verrät das Büro des Vizekanzlers nicht, man beteuert aber es handle sich um “einen sehr angemessenen Betrag.”

Römerwandparksiedlung
Links der Block 6 der Römerwandparksiedlung, rechts das Gemeindeamt.

1999, kurz vor der Geburt des ersten Sohnes, ziehen die Spindeleggers aus. Zu diesem Zeitpunkt verdient Michael Spindelegger als Nationalratsabgeordneter 100.669 Schilling brutto. Monatlich.

Vor wenigen Tagen wiederholt Spindelegger seine Forderung von 1991 und verlangt: “Wo Sozialwohnung drauf steht, muss auch wer drinnen sein, der die Voraussetzungen erfüllt.”

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  1. Spindelegger hat das vorgelebt, was er nun verlangt – mehr verdient, also zahlt er mehr. Die Wohnung hat er lang VOR seiner politischen Karriere bekommen. So what? Übrigens, Martin, die Story haben wir schon im Jänner diskutiert, und da hat sich raus gestellt, dass was alles ok war. So what?

  2. @Gerhard Hab nie behauptet, dass nicht alles ok war. Aber bemerkenswert darf man es schon finden oder?

  3. Einfach *und* gerecht wäre es, von der Objektförderung im Wohnwesen abzugehen und auf Subjektförderung umzustellen. D.h. selbes Mietenniveau im Gemeindebau wie im privaten Wohnungsmarkt nur abhängig von der Qualität. Unterstützung bei Bedarf je nach Einkommen (z.B. über einschleifenden Steuerabsetzbetrag).

  4. ob bemerkenswert oder nicht sei dahingestellt – es ist jedenfalls dreist, sowohl im fall spindelegger als auch im fall pilz.

    erinnert an das ehepar fortell, dass notstandshilfe in anspruch genommen hat. während man von spitzenpolitikern integrität erwarten können sollte, beweisen sie immer wieder, dass die realität eine andere ist.

  5. …erinnert an das Schüsserl, der als Kanzler eine Pflegerin aus dem Osten für seine Mutter schwarz billigst beschäftigt hatte!!! – ja, die Schwarzen Kleingeister lieben es wohl hinterfotzig, bauernschlau…Wasser predigen und a Schnapserl trinken, vorallem ganz viel predigen und vorallem lügen, dass sich die Balken biegen! ….und am Sonntag die Hände falten und in der Kirche noch nie hinterfragte Sprüche mitgrummeln. …und dann, als Politiker ganz langsam und deutlich Reden schwingen, damit man selber den Schwachsinn, den man redet, zeitgleich so schnell wie möglich verdrängen kann….wie man sieht, hat funktioniert bei Spindelegger.

  6. Ehrlich gesagt finde ich es nicht besonders dreist, wenn Gutverdiener weiterhin in ihren Gemeindewohnungen wohnen bleiben, sofern sie diese ursprünglich gerechtfertigterweise zugesprochen bekommen haben. Darüber könnte man im Rahmen der politisch relativ frei definierbaren Zielsetzungen staatlich geförderter Wohnformen durchaus noch recht unvoreingenommen diskutieren – zumal Wohnungsmieten am freien Markt mittlerweile ja zweifellos unverschämt teuer sind. Abgesehen davon gibt es auch zahllose andere Formen staatlicher Förderung, die nicht an soziale Bedürftigkeit gekoppelt sind.

    Dreist finde ich allerdings sehr wohl, wenn man als auf diese Weise jahrelang Begünstigter dafür eintritt, anderen ebendieses Privileg abzusprechen.

    Und bei alledem wurde ein – meines Erachtens – auch nicht unwichtiger Aspekt noch gar nicht angesprochen: Hier geht es nicht um Menschen, die sich unrechtmäßig einen Vorteil erschlichen haben. (Zumindest wenn man, im Sinne der Unschuldsvermutung, die dennoch irgendwie im Raum schwebende Vitamin-B-Problematik einmal außer Acht lässt.) Es geht hier um Menschen, die in der Vergangenheit von ihrem grundsätzlich intakten Recht auf gefördertes Wohnen Gebrauch gemacht haben. Ohne die mit der Zeit (bzw. vielmehr dem Einkommen) gewachsene Frage der sozialen Gerechtigkeit damit ausklammern zu wollen – berechtigt allein der Umstand, dass diese Menschen nun besser verdienen als zuvor, ihnen ihr über viele Jahre bewohntes und gewohntes Eigenheim sprichwörtlich unter dem Allerwertesten wegzuziehen? Gäbe es da nicht noch andere “etwas kreativere”, vielleich sogar etwas mutigere und vor allem weitaus effektivere Möglichkeiten, dem Problem sozialer Ungerechtigkeit zu begegnen?

  7. Wasser predigen und Wein trinken gilt mittlerweile für alle Politiker in diesem Land. Egal welcher Farbe sie angehören. Spindlegger hat also jahrelang in einer Gemeindewohnung gelebt und in dieser Zeit beachtliche Gehaltssprünge gemacht, während er weiterhin den Mietzins eines armen Schluckers bezahlte. Das ist durchaus bedenkenswert, nur weil oben jemand meinte er hätte das so toll selbst vorgelebt was er heute forderte… Typisch ÖVP halt! Schon die Fotos der 150m² Penthousewohnung von Tirols Ex-Landesrat Christian Switak gesehen? http://www.dietiwag.org

  8. Spindelegger hat noch nicht gesaget wo für ihn die Einkommensgrenz von bedürftig und wohlhabend ist(vieleicht € 10000.-)
    In Salzburg gibt es bei der Wohnbauförderung eine Rückzahlunglungsmodus bei dem 25% des Einkommens aller im Hausalt lebenden Personen berechnet wird.

  9. Es ist ganz klar. Hr. Dr. Spindelegger hat recht. Wenn ein Mieter der wegen Karrieresprüngen mehr verdient, muß Ihm die Wohnung zum Kauf angeboten werden! Sofort und gefördert. Das war so abgeredet mit Hrn. Proell.
    Das fällt zwar nur einem Juristen ein aber es hat Logig, denn wir bieten ja die Armen auch den Kauf einer Wohnung an! (quik quik er hot eh ka gÖd)
    Wann das ein Armer sagen würde, wird er abgeholt und wegen Vorbereitung einer schweren Straftat 30 Jahre nach ………. verbracht.
    lg. helmutmaria
    Optimismus ist Feigheit*
    *max otte (lebendiger Philosoph und Oekonom) unbekannt verzogen.

    Ps: Wie oft kommt das Wort Liebe im Grundrecht vor?
    Genau: 1 mal, und zwar
    Kriegsopferhinterb LIEBE ne.
    Danke, wegtreten ungediente!

  10. Warum muß ich beim Spindi immer an den Erwin denken?

    Es begab sich in jener Zeit Ende der 60er oder Anfang 71er, (Hr. Spindelegger profitierte gerade, durch bolschewikischer Bildungsreform vom Prüfungslosen Übertritt ins Gym), als von Mario Puzo der Pate als Buch, erschien.
    Hr. Pröll sagt in einem Gespräch mit Journalisten: Ich haben von dem Karl Mai (Schatz im Silbersee, ganz gelesen), gelernt. Meine Intelligenz ist gottgewollt, denn ich bin doppelter Akademiker, brüllt er einen alten Pfarrer an, der Ihm die Armut alter Leute mit 5.000,- bis 7000,– tausend öS vorhält und mehr….
    (alt aber gut: Siehe das wahre Gesicht des Erwin Pröll im www).
    Er weiß es: Die Starken sind die Guten! (aber wir wußten, der Winnetou ist gestorben) und das war der “Gute”,wir haben alle geweint, er hat es nicht gecheckt!!!
    Es war knapp, puh wir haben Glück gehabt und können und glücklich schätzten daß diese Geistesgöße nicht daneben gegriffen hat.

    Er würde uns heute ein Angebot machen, das wir nicht ablehnen können;
    bzw. in Niederösterreich: nicht wollen.

    * Dein Leben ist dir nur geliehen
    du kannst nicht daraus Vorteil ziehen.
    Du sollst es ganz dem Anderen weihen
    und der kannst nicht du selber sein!

    Der Andre, das bin ich mein Lieber
    Nun rück schon mit den Kohlen rüber!

    Robert Gernhardt*

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